Kennt Ihr das, wenn man von einem Essen die Nase voll hat? Mir hängt nämlich die Graphic Novel – die Nouvelle Cuisine der neunte Kunst – zum Halse raus. Ich mag grad keine fein verlesenen Themen, auch nicht behutsam erzählt und schon gar nicht was Gesundes für den Geist. Ich will Fast Food für die Augen! Zum Glück gibt es gute Freunde – wie @knallkultur, @britney_spheres und @agitpopblog – die meinen visuellen Gaumen auf genau die richtige Kost aufmerksam gemacht haben. Danke Jungs!
Die Rede ist von den Comiczeichnern Brandon Graham und James Stokoe. Diesen beiden Herren ist es gelungen, mir die Lust an schmuddeligen kleinen Heften wiederzugeben. Ihre Comics heißen King City Comics, Half Century War, Orc Stain, Walrus und Prophet. Aber fangen wir am Anfang an: Comics sind als populäres Massenmedium entstanden: In der Zeitung geboren, großgeworden als Comic-Heft und als Graphic Novel erwachsen geworden. Aber wer will schon ständig erwachsen sein, wenn er als Teenager alles ausprobieren kann. Und im Experimentieren sind diese beiden Comic-Zeichner ganz groß.
Prophet #21
Prophet ist gelungener Comic. Nein, ich schreibe nicht über Rob Liefleds 90er-Jahre-Supermacho-Comic (links), in dem der Held ein muskelbepackter Rambo ist. Die Rede ist von Prophet ab Nummer 21 (rechts). Grahams Fortsetzung zu Prophet beginnt dort, wo Liefeld seinen Held zurückgelassen hat – nur ungefähr 10.000 Jahre später.
Doch statt sich über den 90er-Jahre-Trash lustig zu machen oder dessen Entstehungsgeschichte wieder neu aufzurollen, nimmt Graham seine popkulturellen Wurzeln ernst: Zwar ist Prophet nicht mehr mit Waffen überladen, doch ist er immer noch eine Kampfmaschine. Genauso wie sein Arsenal wurden auch die Dialoge und die Darstellung auf das Nötigste reduziert. Prophet spricht wenig bis nichts, sinniert wortkarg und in der dritten Person über seine Mission. Diese führt ihn durch wüstenähnliche Welten. Deutlich zu erkennen ist Moebius‘ Einfluss auf Graham. Wie in Arzak wirken Prophets Handlungen fast schon meditativ. Seine Entscheidungen sind nur auf ein Ziel gerichtet: Auf die Erfüllung seiner Mission. Der Comic erinnert dabei an die Fernsehserie Kung Fu mit David Carradine. Es macht Freude die schnellen Actionsequenzen anzusehen, nur um danach wieder in tiefe Meditation zu verfallen. Prophet ist eine Offenbarung, da Graham sowohl seine Liebe für, als auch seine konstruktive Kritik an dem Comic einfließen lässt. (Linktipp: Rob Liefeld und Brandon Graham im Gespräch über Prophet.)
Godzilla: The Half-Century War
Ähnlich viel Liebe beweist James Stokoe in seinem Comic Half Century War; eine Hassliebe zwischen Godzilla und dem Soldaten Oka Murakami, die ein halbes Jahrhundert andauert. Egal ob Godzilla vs. Mechagodzilla, Ghidrah the three headed Monster oder Godzilla kehrt zurück. Stokoe scheint alle japanischen Monster-Trash-Filme gesehen zu haben. Er spinnt daraus eine ganz neue Geschichte: Beim ersten Erscheinen von Godzilla erweist sich Lieutenant Murakami als äußerst geschickt im Kampf gegen die Monsterechse und tritt der A.M.F. bei, der Anti Megalosaurus Force bei. Die Jahre vergehen und immer wieder treffen Murakami und Godzilla aufeinander. In Retrospektive erzählt Stokoe aus der Perspektive des Soldaten, präsentiert neben den Gefechten immer wieder die Gefühlslage von Murakami, der zu verstehen versucht, wie Godzilla tickt.
Orc Stain
„Viva la Gronch!“ heißt es in James Stokoes Comic-Serie Orc Stain. Der Ausspruch huldigt dem besten Stück eines Grünlings, seinem Penis. Hier sind nicht die abgrundtief bösen und doch charakterlosen Orks aus der Welt von J.J.R.Tolkien gemeint. Die Orks in Orc Stain sind ein Volk mit Charakter: Sie sind laut, dreckig, reden über Gronche und schlagen sich gerne gegenseitig die Schädel ein. Dabei kommt Stokoes organischer Zeichenstil noch besser zur Geltung als bei Godzilla: Half-Century-War: ständig explodiert etwas, zerbricht etwas, wird ein Gronch abgeschnitten oder ein Schädel eingeschlagen, Fleisch mutiert, sabbernde Bomben speien Flüssigkeit. Der Comic ist ein Ejakulat aus dem Hirn eines Grünlings und spritzt seine Fantasie über die Seiten. Das Resultat in ein lustvolles Wimmelbild in eiterndem Grün.
King City Comics
Überwältigt hat mich letztendlich Grahams King City Comics. Der 400+ Seiten starke Comic ist eher Manga als als Graphic Novel, eher Anekdotensammlung als epische Erzählung. Der Plot als solcher ist schnell zusammengefasst: Der Held kommt nach ein paar Monaten Abstinenz als Katzen-Meister zurück in seine Heimatstadt King City und bekämpft gemeinsam mit seiner Katze Earthling JJ Catingsworth III das ultimative Böse – und hat dabei eine gute Zeit. Wenn Prophet an Carradines Kung Fu erinnert, dann ist Grahams magnus opus Kung Fu King City Comics.
Was den Schwarz-Weiß-Comic wirklich zu der ultimativen Erzählung macht, ist Grahams Humor und Einfallsreichtum. Er macht in King City Comics einfach was er will: Karate-Action, sexuelle Anspielungen und Wortspiele. Als hätte Graham Edgar Wrights komplette Cornetto-Trilogie gesehen und einfach noch mal die doppelte Menge an Wortspielen oben drauf gelegt. Ich sag nur: „Employees must wash Hans“
All comic readers must follow @royalboiler und @HeGotGronch. Denn ihre Comics mach einfach Lust auf fettigen Essen und Comics. Wenn ich irgendwann genug von Hot Dogs haben sollte, geh ich auch mal wieder schick Essen, versprochen!