Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Meine Ungeduld nimmt teilweise ungewöhnliche Ausmaße an. Warten auf das Kickstarter-Projekt The Others macht mir bewusst, wie unsinnig diese Ungeduld ist.
Wir leben in einer Welt, in der jede Lieferung nachverfolgbar ist. Wird ein Paket verschickt, bekommt man einen Tracking Code. Damit lässt sich die Reise der Sendung nachzeichnen: „Dein Paket ist aktuell in Wanne-Eickel.“ Die Transparenz soll dem Wartenden ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Das Gegenteil ist der Fall. Es kurbelt die Ungeduld weiter an.
Warum ist das so? Tracking suggeriert ein Gefühl der Kontrolle, die man aber nicht hat. Sobald die erste Mail mit dem Tracking-Hinweis ankommt, schaue ich jeden Tag nach. Ich wundere mich, warum mein Paket immer noch nicht da ist. Ich frage mich, was die Menschen in Wanne-Eickel die ganze Zeit machen. Obwohl ich weiß, wo mein Paket ist, kann ich die Sendung nicht beschleunigen.
Amazon Prime und Amazon Now haben nicht nur die Zustellung, sondern auch diese Entwicklung beschleunigt. Plötzlich will Amazon sogar wissen, wer mein Wunschnachbar ist und lässt meinen Briefkasten für die Annahme von Paketen unterschreiben. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich fühle mich gefangen in einem ständigen Teufelskreis des Trackings. Ist meine Lieferung schon da? Refresh. Und jetzt? Refresh. Immer noch in Wanne-Eickel. Refresh. Ich frage Google Map nach Wanne-Eickel. Ich stehe mit Google Streetview vor der Poststelle, kann aber nichts sehen. Die ständige Verfügbarkeit führt einfach nur zu mehr Ungeduld.
Aber nicht nur Paketsendungen sind trackbar. Auch Flugzeuge und Schiffe lassen sich verfolgen. Viele Kickstarter-Projekte schaffen für ihre Backer mehr Transparenz: Eure Spiele wurden gerade in Shanghai aufs Schiff verladen. Und plötzlich folge ich mit Vessel-Finder zwei Schiffen: Hanjin Africa und APL Merlion.
Warum? Weil auf einem dieser beiden Schiffe mein persönliches riesengroßes Paket von 7 Sins: The Others mitfährt. Ein Brettspiel von Eric M. Lang, das ich im Herbst 2015 gebackt habe. Seit dem warte ich. Zusammen mit 10.135 anderen Backern, die zusammen 1.5 Millionen Dollar ausgegeben haben.
Die achte Todsünde: die Ungeduld
Andere Unterstützer hat auch die Ungeduld angesteckt. In den Kommentaren unter jedem neuen Update infiziert die achte Todsünde neue Opfer. Zunächst heißt es, dass Europäer ihre Spiele wegen der Ferien, erst im September bekommen. Ungeduld. Dann heißt es plötzlich, dass eines der Schiffe Probleme hat – finanzielle Probleme. Unmut. Wut.
Warum sind die Schiffe noch nicht da? Weil Hanjin, der siebtgrößte Containerschiff-Unternehmer der Welt, Insolvenz angemeldet hat. Heißt, die Firma kann das Entladen der Schiffe und die Hafengebühr nicht mehr bezahlen. Also parkt Hanjin Africa gerade im Suez-Kanal und kann die Gebühr für die Passage nicht zahlen. Totale Transparenz trifft auf katastrophalen Kontrollverlust.
Diese Energie entlädt sich natürlich in den Kommentaren: „Der Verlag hat alles falsch gemacht.“ Hinzu kommen Verschwörungstheorien: „Vielleicht kann das Schiff seine Ladung auf ein anderes Schiff umladen.“ Und am Ende steht blanke Wut: „Wenn der Verlag jetzt Retail-Versionen des Spiels auf der Messe in Essen verkauft, bin ich soooo wütend. So.“
Der amerikanische CMON-Verlag wird also in den Kommentaren verteufelt. Dabei ist er nicht für die Insolvenz von Hanjin verantwortlich. Ist es wirklich so schwer, diesen Problemen mit Geduld und Humor zu begegnen? Scheinbar schon. Natürlich hat man für das Produkt vor einem Jahr gezahlt. Man hat einen Liefertermin bekommen: März 2016. Und manche amerikanischen Backer haben ihr Spiel schon.
Der perfekte Nährboden für die Ungeduld, um sich auszubreiten und ihr Gift in den Kommentaren zu verbreiten.
Ich kann die anderen Unterstützer verstehen. Aber mein Schrank ist voll von Brettspiele. Außerdem steht die Spielemesse vor der Tür mit so vielen neuen Spielen. Ebenso sieht es bei vielen der anderen über tausend Unterstützer aus. Also, kann ich den Wahlspruch von 7 Sins: The Others „Have Faith“ nur durch mein „Habt Geduld“ ergänzen.