Bereits vor einigen Jahren hatten wir uns bei Comicgate gemeinsam überlegt, dass jeder Redakteur über seinen ersten Comic schreiben könnte. Der Anspruch lag weder darin eine genaue Nummer des ersten Asterix Bandes zu benennen noch den entsprechenden Donald-Ausschnittes auf dem jeweiligen Buchrücken eines Lustigen Taschenbuches zu beschreiben. Vielmehr sollten diese Beiträge ein bisschen etwas über uns selbst als Redakteure erzählen und gleichzeitig zeigen, wo wir herkommen. Da mein Meilenstein-Comic nun schon lange unangerührt auf meinem Schreibtisch liegt, habe ich mir jetzt einfach mal ein Herz gefasst und werde etwas genauer reinschauen und gucken, wie dieses kleine amerikanische Comic-Heft mein Interesse an einer ganzen Gattung geweckt hat.
In meinem Fall handelt es sich um Uncanny X-Men 322. Aber bevor ich gleich die ganze Handlung verrate, die sich ja schon auf dem Cover abzeichnet, springe ich gleich zu dem Panel der Woche. Auf Seite 12 haben wir zum ersten Mal eine Besonderheit dieser Kolumne: eine splashpage, ein ganzseites Panel. Diese Darstellungsform wird oft dazu verwendet dramatische Wendungen in der Handlung anzudeuten. Das Auge des Betrachters wird nicht durch viele kleine Panles über die Seite gelenkt, sondern verhaart bei einer Aktion. Leider wird die splahspage in amerikanischen Superhelden-Comics immer wieder verwendet, um Platz für eine Synopsis schaffen. Wer sind diese Superhelden, was für Superkräfte haben sie und was ist der letzte Superausgabe passiert?
Eine 180 Graddrehung erfährt das Panel der Woche diesmal auch – zwar in Bezug auf das Cover. Anstatt dass der Bösewicht Juggernaut, zu Deutsch Moloch, vom Betrachter weggeschleudert wurde, sehen wir ihn auf dem Panel in entgegengesetzter Richtung, wie er in einem Krater vor den Augen meiner Jugendhelden, Bishop und Beast, zum Stillstand gekommen ist. Der Leser schaut den beiden verwunderten Helden über die Schulter und sieht auf einen Fleischkoloss in Spandex. Dass seine Proportionen in dem braunen Maßanzug überhaupt nicht passen, schien mir mich mit meinen zarten 16 Jahren nicht zu stören.
Wahrscheinlich war ich vielmehr mit dem oberflächlichen Wortwitz beschäftigt. Die Situation kommentierend, meint Beast zu Bishop, man müsse das Adjektiv „unstoppable“ wohl aus der Kartei der X-Men streichen. Ich fand das damals lustig, und schmunzele auch heute noch. Ich schmunzele aus demselben Grund noch immer, weil ich die selbstkritische Art und Weise dieser Superhelden einfach gerne mochte. Die Vorstellung, dass sie sich ihrer Marketing-Slogans auf den Cover. In einem anderen Comic dieser Zeit bemerkte der unglaubliche Hulk einmal: „Ma’m, I am not amazing! That’s Spider-Man. I am incredible!“
Diese Woche macht es natürlich keinen Sinn die anliegenden Panels oder das Seitenlayout zu betrachten. Ich könnte noch erzählen, wie Juggernaut auf den nachfolgenden Seiten gegen die X-Men kämpft und am Ende natürlich unterliegt. Aber das eigentlich Wichtige ist das Ende des Comic. Wir sehen Juggernaut, wie er nur einen Wort sagt: „Onslaught„. Mit diesem einen Wort läutet er das anstehende Cross-Over, ein Überkreuzen der Handlungen aller Marvel Comics, ein. Daneben findet sich der Verweis auf die nächste Ausgabe und sogar ein Vermerk auf die parallel laufende Serie X-Men. Es ist eben dieses Unabgeschlossene, dieses sich ständig Fortsetzenden. Und auch wenn ich keine X-Men-Comics mehr lese, so weiß ich doch, dass mich dieser ganz profane unstillbare Durst nach weiteren Geschichten angefixt hat.
Abbildung: © Marvel Comics/Tom Grummett
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