Manche Panels möchte man sich gar nicht so genau angucken, sie motivieren gerade dazu wegzuschauen, und das Gesehen möglichst schnell zu vergessen. Genau diesen Bildern widmet sich der Amerikaner Charles Burns, der mit großer Liebe das Untergründige in starken schwarz-weiß Kontrasten erforscht.Ich möchte aber nicht zu viel über den Comic verraten. Black Hole ist eine Erfahrung, die jeder Leser selber machen sollte. Das heutige Panel versucht den Spoilergrad deshalb auch ziemlich gering zu halten.
Wir sehen ein Panel (im siebten Kapitel „Seeing Double“, Panel 3), dessen Form und Rahmen ungewöhnlich erscheinen. Im Gegensatz zu einem typischen rechteckigen Raster, sehen wir eine schlangenlinienförmige Begrenzung des Panels. Ich habe die angrenzenden Panels, die das Muster unserer Beispiels wiederaufnehmen zur Übersichtlichkeit entfernt (ein komplettes Bild der Seite folgt weiter unten). Das Bild „franst“ förmlich aus. Wir sehen ein weiteres kleines Panel unten rechts in der Ecke, das den dargestellten Fuß fortführt, sprich eine Fortsetzung desselben Panels, das aber „zerrissen“ ist.
Im Kontrast zu dieser alptraumhaften Darstellung der Entblätterung steht die caption, der Textblock, der in schlichtem Lettering die Szene nüchtern beschreibt: „Skin hanging loose and open“. Scheinbar ohne jedes Gefühl findet diese Dokumentation, diese textliche Reflexion statt, die dem ungewöhnlichen Rahmen und dem unheimlichen Schwarz-weiß Kontrast entgegenwirkt. Eine weitere caption ermöglicht den Anschluss zum nächsten Panel.Interessanterweise wiederholt sich auf dieser Seite eine frühere Szene aus dem Comic, bei der ein Frosch seziert wird: Die Protagonistin betrachtet auf dem ersten und dritten Bild ihr Bein (ihren Schenkel). Panel zwei und vier hingegen zeigen ihre Reaktion auf die Observation. Die letzten drei Panels verweisen auf ihre Vorgehensweise, wie sie sich die Haut vom Körper abzieht. Erst auf der nächsten Seite gehen, die Panelrahmen wieder zu einem gewohnten Rastermuster über und geben dieser Sequenz einen flashback-Charakter.
Wenn man ganz genau hinschaut, merkt man erst, dass Charles Burns nicht unbedingt nur durch seine albtraumhaften Visionen oder durch seine harschen Kontraste zu einem Meister des Comics geworden ist. Vielmehr sind es die exzellenten Doppelungen, Seeing Double, auf dieser eine Seite, die ihn zu einem Meister des Erzählens im Comic machen: Die Rückbesinnung auf die vorangegangene Sezierszene, die Verwebung von nüchternem Text und schauderhaftem Bildern und die schlangenhaften Panelbegrenzung der Häutungsszene sind ein kleines Meisterwerk für sich.
Diese Analyse spart die gesellschaftlichen Implikationen der Teenagerseuche, dem Hauptthema von Black Hole, vollkommen aus. Doch allein ein Blick in Burns fiktives Jahrbuch weist auf die makabere Kritik an unserer Gesellschaft hin.
Abbildungen: © Charles Burns/Fantagraphics

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