Ich habe mich durch die fast 1000 Neuheiten der SPIEL Essen 2016 gewühlt und zehn Spiele ausgesucht, auf die ich mich am meisten freue.
Wir allen anderen Boardgamer habe auch ich mich durch die Essen-Preview-Liste von Eric Martin auf Boardgamegeek gearbeitet. Als perfekte Ergänzung habe ich mich bei „SPIEL Together“ angemeldet. Peter Møller hat Erics Liste verwendet und aus ihr ein schönes Verwaltungstool gemacht – mit dem alle Previews, Infos, Standnummern und Ranking mitgeliefert werden.
Natürlich könnte ich außer den zehn Spielen noch andere hinzufügen, wie z.B. den EXIT-Trend oder lustige kleine Japon-Brand-Veröffentlichungen. Ich will mich aber wirklich nur auf die Spiele konzentrieren, die mich interessieren.
Und jetzt ohne weitere Vorrede kommen hier meine Top Ten:
Platz 10: Seafall
Was?!? Seafall nur auf Platz 10? Ja, fast wäre Rob Daviaus neues Legacy-Spiel einfach von meiner Liste gesegelt. Das Brettspiel gibt 3-5 Spielern die Möglichkeit, Christopher Kolumbus zu sein. In jeder Partie machen sich die Entdecker mit ihren Schiffen auf und segeln gen Westen, besuchen Inseln und unterwerfen die Eigeborenen oder handeln mit ihnen. Am Ende gewinnt der Spieler mit dem meisten Ruhm. Die eigentliche Frage ist, was nach der Partie passiert: Wie wird die nachfolgende Generation die Geschichte weiterschreiben? Denn nach ihrer ersten unvorteilhaften Begegnung sind die freundlichen Eingeborenen in Zukunft nicht mehr so freundlich. Ob der Fortsetzungsmechanismus so gut funktionieren wird, wie bei Pandemic Legacy, und ob auch Seeschlachten Spaß machen, bleibt abzuwarten.
Natürlich will ich diese Fragen beantworten. Doch die monströse Spielzeit und die ersten Kritiken schrecken mich eher ab, als das sie mich motivieren. Ich möchte dieses Spiel mögen, aber ich möchte auch die Zeit finden, es überhaupt zu spielen. Und wenn ich höre, wie viele Spielekritiker ächzen unter der Spielzeit und dem Prolog, bin ich unsicher, wie meine Spielgruppe damit klarkommen wird.
Eine gute Bestandsaufnahme bietet das Video von Shut Up and Sit Down.
Platz 9: 7 Sins: The Others
Auch der Hype für Eric M. Langs Riesen-Kickstarter-Spiel ist etwas abgeklungen. Dennoch sieht 7 Sins: The Others immer noch sehr sexy aus. Ein Team aus Helden kämpft gegen einen Overlord, der eine der sieben Todsünden verkörpert: Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit. Die Spieler laufen in der Stadt herum, lösen Aufgaben, töten Monster und versuchen am Ende das Missionsziel zu erfüllen. Klingt alles sehr nach einem Dungeoncrawler? Ein bisschen.
Aber der große Vorteil von The Others ist der modulare Spielaufbau. Das ist spannender als es sich liest. Zumindest in meinem Kopf. Zunächst können die Helden ihr Team zusammenstellen, dann kann der Overlord eine der sieben Sünden wählen – wenn der alle Kickstarter-Strechgoals hat – und zum Schluss wird ein Szenario mit zwei verschiedenen Wegen aufgebaut. Aus diesem Grund und aus vielen kleinen Mechaniken sollte The Others spannender sein als das bloßes Zombiegeschnetzel bei Zombicide.
Dieses Spiel könnte höher auf meiner Liste stehen, aber da ich es eh bei Kickstarter unterstützt habe und seit März 2016 darauf warte, ist meine Vorfreude ein bisschen gedämpft. Zum Glück plagt mich die achte Todsünde Ungeduld nicht mehr.
Platz 8: Last Friday
Ich weiß noch immer, was ich letzten Freitag gemacht hab. Ich saß mit meiner Freundin auf dem Sofa und habe einen Film geschaut. Der war so mittel. Aber dafür weiß ich, was ich an einem kommenden Freitag im Herbst machen werde. Ich werde Teenager im Freizeitlager mit meiner Axt auflauern.
Last Friday mischt Splatterfilme mit dem Hidden Movement-Aspekt von Scotland Yard. Nur dass nicht ein Spieler gejagt wird, sondern der zum Jäger wird. Er verfolgt die Teenies, die nicht genau wissen, wie nah der Axtmörder ihnen wirklich ist. Nach ein paar Runden dreht sich der Spieß um und die Gejagten werden zu Jägern.
Platz 7: Fold it
Eines der größte Probleme in Essen ist der Platz, den die Spiele einnehmen. Wie schön wäre es, wenn sich alle gekauften Kartons zusammenfalten ließen. Essen falten? Kein Problem. Mit Fold it haben die Entwickler von Happy Baobab das Problem gelöst. Essen in Essen falten.
Jeder Spieler hat eine Matte mit der gleichen Anordnung von quadratischen Abbildungen von Gerichten auf beiden Seiten. Ein Spieler zieht eine Karte auf der ein bis vier Gerichte zu sehen sind. Diese Gerichte gilt es zu falten. So schnell wie möglich. Ein Spiel aus 100% Funnylon.
Platz 6: The Dragon and Flagon
Wie könnte der Küchenzuruf für diesem Spiel lauten: „Eine dreidimensionale Fantasy-Kneipenschlägerei.“ Wer ist der größte Held von allen? Na der, der im Dragon and Flagon den einzigen verbleibenden Krug mit dem Wunderbier ausschlürft. Was aber, wenn sich die 2-6 Helden, um das Gesöff streiten. Richtig: dann gibt es Haue, es fliegen Stühle und Dinge gehen zu Bruch. Kiefer und so.
Das Schönste an dem Spiel ist die dreidimensional gestaltete Kneipe mit kleinen Krügen, Biertischen aus Karton und kleinen Holzstühlen. Vielleicht könnte man Stephen Bounocore von Stronghold Games überzeugen, das Spiel auch auf das Oktoberfest umzumünzen. Das Thema würde passen.
Platz 5: Villen des Wahnsinns (zweite Edition)
Ich habe die erste Version von Villen des Wahnsinns nur einmal versucht zu spielen. Aber auch nur so lange, bis der Spielaufbau unseren Overlord in den Wahnsinn getrieben hat. Das Original war schön anzusehen, aber beim Aufbauen tat sich die Hölle auf Erden auf. Ein Fehler und das Spiel funktionierte nicht mehr. Die Mechaniken im Spiel waren genauso komplex.
Fantasy Flight Games hat dieses Manko in der Cthulhu-Welt nun mit einer dämonischen App gelöst. Wie schon bei Descent 2nd Edition übernimmt der Computer das Geschichtenerzählen. Aber kann eine Maschine eine gruselige Lagerfeuerstory erzählen? Zumindest verliest sie sich nicht dauernd, kann im Hinterkopf die benötigten Trefferwürfe ausrechnen und das Ganze mit stimmungsvoller Musik abrunden.
Ein Computer, der H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos nacherzählt? Der reine Wahnsinn.
Platz 4: Cottage Garden
Tetris im Garten. Auf wenn Blumen nicht immer im 90°-Winkel wachsen, lassen sich doch Beete anlegen, in denen sie sich ausbreiten können. Und darum geht es in Cottage Garden von Uwe Rosenberg. Auf einem 5 x 5 Kästchen großen Spielfeldacker müssen die Beete möglichst effizient bepflanzt werden. Dazu wählt jeder der bis zu vier Hobbygärtner zur Auswahl stehende tetrisähnliche Blumenblöcke und pflanzt sich vor sich ein.
Brettspiel-Veteran Rosenberg hat diesen Mechanismus auch schon für das schöne Zweispielerspiel Patchwork benutzt. Außerdem bringt er sein ganz großes Spiel Ein Fest für Odin heraus, das ein ähnliches Grundprinzip hat. Ich will aber kein Wikinger sein, sondern lieber Blumen pflanzen, Töpfe ins Beet stellen und um Katzen herumbauen. Die Regeln von Cottage Garden machen einen soliden Eindruck, das Thema ist ansprechend anders und die Spielerzahl bietet genug Variation.
Platz 3: HMS Dolores
Papier, Stein, Schere gehört zu den simpelsten Spielen aller Zeiten. Drei Möglichkeiten und ganz viel Psychologie. Genau diese Psychologie haben sich Eric Lang und Bruno Faidutti für ihr kleines Spiel HMS Dolores geplündert. 2-4 Piraten versuchen, den gemeinsam gehobenen Schatz des titelspendenden Schiffs zu verteilen, der von Vincent Dutrait wunderschön illustriert wurde.
Zunächst werden vor zwei Spielern jeweils zwei Schatz-Karten aufgedeckt. Um die vier Karten wird gespielt. Um zu entscheiden, ob man die ausgelegte Beute haben will, stehen drei Zeichen zur Verfügung: „Krieg“, „Frieden“ oder „Als erster auswählen“. „Krieg“ heißt, ich will alles. „Frieden“ heißt, ich will nur die Schätze, die vor mir liegen. „Als erster auswählen“ heißt, ich nehme nur einen Schatz, den ich mir aussuchen darf. Bei zwei mal „Frieden“ wird geteilt, bei zwei mal „Krieg“ oder zwei mal „als erster auswählen“ gehen alle leer aus.
Warum erkläre ich die Regeln des einfachsten Spiels am ausführlichsten? Weil sie so simpel sind. Sogar noch simpler als hier zusammengefasst. Der Clou an dem Spiel: Nicht die größte Menge an Schätzen gewinnt. Es macht also keinen Sinn alles zusammenzuraffen.
Platz 2: Unfair
Unfair – ein grandioser Titel für ein Spiel über Themenparks (engl. fair), bei dem es nicht immer ganz fair zugeht. Denn das Spiel greift nicht nur das Faible für Computerspiele wie Rollercoaster Tycoon auf, sondern fügt ihm noch gleich noch einen Konkurrenz Aspekt hinzu. Denn man will nicht ja nur, dass der eigene Freizeitpark am besten läuft. Beim Gegner soll es nicht ganz so gut laufen.
Nach erfolgreicher Kickstarter-Kampagne soll das Spiel erst nach Essen im Dezember ausgeliefert werden. Dafür aber mit sechs verschieden Themenparks (Piraten, Roboter, Dschungel, Vampire, Ninjas und Gangster). Ich freu mich drauf und weiß schon, wer noch.
Platz 1: Inis
Bei meiner Spielgruppe dauern Züge immer eine Ewigkeit. Jeder versucht den perfekten Weg zum Sieg zu finden. Am besten einen, den die Mitspieler noch gar nicht entdeckt haben. Was wird Inis mit meiner Runde machen? Ein Spiel, bei dem man den entschiedenen Spielzug ankündigen muss: „Ich werde übrigens gleich gewinnen, also versucht es bitte jetzt zu vereiteln.“ So wie bei UNO. Für ein Kartenspiel mag das funktionieren, aber doch nicht für ein Spiel mit Männchen auf einer Karte stehen, irgendwo in Irland.
Inis ist ein Brettspiel, bei dem man bemüht ist, am meisten Einfluss in einer Region auszuüben. Was hier meist nicht in einer militärischen Auseinandersetzung endet, sondern eher einem Tauziehen ähnelt. Oder einem Walzer mit bis zu vier Spielern, von denen jeder führen will. Die Illustrationen sind der nächste Punkt. Manche hassen sie. Ich liebe sie. Und das bereits bevor ich erfahren habe, dass der Künstler Jim Fitzpatrick (sehr irisch) das bekannte Che Guevara Bild gemalt hat. Mich erinnert es mehr an eine expressive Variante von Charles Vess. Ich mag die Farben, ich mag die Illustrationen, ich mag die Regeln, ich mag das Drafting-System der Karten, ich mag den Titel.
Inis ist jetzt schon das Spiel, auf das ich mich bei der SPIEL am meisten freue. Und natürlich schaue ich mir in Essen auch andere Spiele an und rede viel mit Menschen.
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